Zu Beginn ein Originalzitat von Henry Kissinger, „To be an enemy of America can be dangerous, but to be a friend is fatal.“ Dazu passt auch ein Gedanke des wohl bekanntesten Kritikers US-amerikanischer Politik, Noam Chomsky: »Die Amerikaner bekämpfen die Russen bis zum letzten Ukrainer.«
Worum geht es in diesem Konflikt?
Worum es den Russen von Anfang an ging, ist und war, „dass die Ukraine nicht Teil eines westlichen Militärbündnisses sein wird. Sie haben seit 2008, als die Nato zum ersten Mal die Entscheidung verkündete, dass die Ukraine und Georgien eines Tages Mitglieder des Nato-Bündnisses sein würden, die Bedeutung dieses Punktes betont. Und die Bereitschaft, einen Kompromiss zu finden, würde diese Krise oder diesen Krieg nicht von selbst lösen, aber sie würde einen Kontext schaffen, in dem ein Ausweg viel leichter zu finden ist als unter den derzeitigen Umständen.“ (Quelle: Süddeutsche)
Der Völkerrechtler Kai Ambos kritisiert die westliche Doppelmoral scharf: „Den größten Schaden für die westliche Glaubwürdigkeit hat vor allem die Irak-Invasion der USA und ihrer Verbündeten angerichtet, auch wenn Deutschland und Frankreich sie verhindern wollten und es damit gar keine einheitliche westliche Front gab. (…) Wir können das Völkerrecht nicht nur gegenüber Russland (und China) hochhalten wollen, wir müssen das auch gegenüber uns selbst und auch unseren politischen Verbündeten tun.“ (Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.)
Zwei Anschläge – zwei Beispiele für das „actio-reactio“-Prinzip
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Anschläge auf die Gaspipeline gab es einige, die zwar nichts wussten, aber sich dennoch sicher waren zu wissen, wer da dahinter steckt – viele Schnellschüsse gab es in verschiedenen Medien, wobei allerdings auffällig war, dass die deutsche Bundesregierung mit Aussagen sehr zurückhaltend war. In Berlin wurde „gewarnt, zu rasche Schlüsse zu ziehen“. Auch die schwedische und die dänische Regierung waren offenbar darauf bedacht, die Stimmung nicht durch Mutmaßungen anzuheizen. Das gilt allerdings nicht für das politische Spitzenpersonal der EU.
Man kann aber davon ausgehen, dass in jenen Tagen kein Über- oder Unterwasserfahrzeug die Häfen von St. Petersburg oder Kaliningrad Richtung Bornholm verlassen kann, ohne dass es von den Sonar- und Unterwassermikrophonen der NATO auf Herz und Nieren geprüft wird. Der Zweck heiligt die Mittel – die US-Strategie läuft darauf hinaus, eine „Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Zentraleuropa und Russland zu verhindern“, auch wenn die Täter im Verborgenen bleiben (sollen). Der Gipfel der Absurdität aber ist, dass die Untersuchungen zur Sprengung von North Stream geheim gehalten werden bzw. be- oder verhindert wird. Dies deutet darauf hin, dass die Anschläge von „westlichen“ Bombenlegern verursacht wurden.
Ganz anders beim Anschlag auf die Kertsch-Brücke. Hier ist die geplante Sabotage klar, die Reaktion musste ebenso klar sein: die Eskalation auf diese Provokation! Der Level der Auseinandersetzung muss um jeden Preis hochgehalten werden um eine diplomatische Lösung, wie sie schon Anfang April von Putin (mehrfach) angeboten wurde, zu verhindern. Demnach „sollte sich Russland aus allen seit dem 24. Februar 2022 eroberten Gebieten zurückziehen und im Gegenzug die Ukraine auf einen NATO-Beitritt verzichten, dafür Sicherheitsgarantien von verschiedenen Staaten erhalten. Damit hätte der Krieg bereits im Frühjahr beendet werden können!“ – so der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat in einem Interview. Und weiter: „Erhärtet werde das durch Beiträge in der US-Zeitschrift Foreign Affairs und am 2. September von der Washingtoner »Denkfabrik« »Responsible Statecraft“.
Und Oskar Lafontaine stellt fest : „Selbst die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die wie viele andere „Qualitätsmedien“ Kriegshetze betreibt, hat jetzt bemerkt: “Selesnskij will die NATO in den Krieg ziehen.”
Frieden? Nicht erwünscht?
„Im April fanden Friedensverhandlungen unter Vermittlung der Türkei statt, die nach Aussagen der amerikanischen Sicherheitsexpertin Finow Hill zum Entwurf eines Friedensabkommens geführt haben. Dessen Umfang und Inhalt gleicht dem letzten Vorschlag Kissingers, wie eine Friedenslösung aussehen sollte oder könnte. Dann gab es eine Reise des damaligen Premierministers Boris Johnson nach Kiew – und danach war das Interesse der Ukraine an dem Abkommen nicht mehr vorhanden. Es gibt Presseberichte, auch in der Ukraine, nach denen er „Selenskij wissen ließ, dass der Westen (und damit insbesondere die USA) seine Unterstützung für die Ukraine beenden würde, falls er ein solches Friedensabkommen mit Russland schließen sollte. Er befahl ihm also de facto, weiterzukämpfen, und Selenskij gehorchte.
Ob das stimmt, kann zurzeit nicht überprüft werden. Aber die Tatsache, dass der Entwurf danach plötzlich vom Tisch war, deutet darauf hin, dass dieser Besuch eine Rolle spielte. Und in der Logik unserer Annahmen spricht vieles dafür, dass es so war.“ (Matthias Kreck / Nachdenkseiten).
Mit seinen ständigen Forderungen nach Ausweitung des Krieges, nach einer Rückeroberung des Donbass und der Krim beweist Selenskij nur eines: Er vertritt die ukrainische Bevölkerung wahrscheinlich schon lange nicht mehr, die mehrheitlich einen Waffenstillstand und eine Friedenslösung will, ungeachtet anderer Behauptungen in der Propagandapresse.
Kriegstreiberei – ein demokratischer Wert?
Kaum eine Person verkörpert die viel beschworenen europäischen „Werte“ und den Begriff Demokratie so wenig wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Die Washingtoner Tageszeitung Politico legte offen, dass von der Leyen (und ihr Stabschef Seibert) schon lange vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine mit den USA Absprachen zu gemeinsamen Sanktionen gegen Russland getroffen haben. Diese Absprachen fanden ohne Konsultationen von EU-Gremien statt.
Andere Schauplätze
Man sollte auch einmal darüber reden, dass Saudi-Arabien den brutalen Krieg im Jemen ohne militärische Hilfe der USA – und in geringerem Masse auch von Frankreich, Deutschland und Großbritannien – gar nicht führen könnte.
Kürzlich hat die US-Regierung China nochmals ausdrücklich als ihren Hauptfeind definiert. Wer wirklich glaubt, das würde in Beijing nicht gehört, ist ein kompletter Idiot. Die USA haben weitaus schlechtere Abstimmungsergebnisse in der UN-Vollversammlung hinnehmen müssen als jene, die Russland erlitt: Als im Juni vorigen Jahres über die Aufhebung ihrer jahrzehntealten Sanktionen gegen Kuba abgestimmt wurde, blieben sie mit Israel allein gegen 184 Stimmen, ähnlich hat es bei der Abstimmung zur Kontrolle des israelischen Atomprogramms ausgesehen. Was leider in europäischen Medien kaum erwähnt wird!
Postscriptum:
„Seit Monaten fällt auf, dass sich in der Diskussion über Russlands Ukrainekrieg eine Art moralisierende Debattenkultur etabliert, die zwischen »gutem« und »bösem« Journalismus unterscheidet und jegliche kritische Diskussionskultur als Abweichlertum desavouiert…
Journalismus muss so wehtun wie ein Stein im Schuh. Denn die Welt ist vielschichtig, …wir sind nicht der Nabel der Welt. Und manchmal, so zeigt es sich auch in den Beispielen, versperrt die eigene Moral den schmerzvollen Blick auf die ganze Wirklichkeit.“ (Zit. n. DER SPIEGEL)