Einst schrieb mein Bruder, der die ganze Welt bereist und mit sehr kritischem Blick analysiert hatte, dass, sollte es gesellschaftspolitische Vorbilder geben, angelsächsische sicher keine dabei wären. Dabei hatte er wohl vor allem das „angelsächsische“ als Synonym für jenen Teil der Welt angesehen, der durch die Kolonialzeit geprägt, anderen Ländern ihre Kultur aufzwingen will. Was nicht nur die Gleichschaltung des Geschmacks betrifft, sondern vor allem die Vernichtung oder zumindest Unterwerfung anderer, was die Lektionen an Demokratieverständnis, die insbesondere die USA gerne reihum anderen, insbesondere Unangepassten, vorschreiben. Was ja die Geschichte beweist.
Wer aber sind die USA? Die Vereinigten Staaten von Amerika sind das Resultat einer europäischen Politik, die, christlich geprägt, ihre eingebildete zivilisatorische Überlegenheit mit missionarischem Eifer und nicht nur notfalls mit Gewalt und zum Nutzen ihrer Eliten der ganzen Welt oktroyieren wollte. Die Kolonialzeit zeugt davon wohl am extremsten am Beispiel Nordamerika, wo bis heute dem kolonialen Geist gehuldigt wird. Dass diesem Geist Abermillionen Indianer und Indios zum Opfer fielen, ist in den Geschichtsbüchern eher eine Randnotiz, unter der die kläglichen Reste der amerikanischen Ureinwohner bis heute zu leiden haben. Durch die Gründungsgeschichte der USA zieht sich der rote, blutige Faden der Gewalt, egal, wohin man in dieser Welt schaut. Der „Moloch“, wie KH Deschner die USA nennt, schreckt vor nichts zurück, er will seinen Einfluss auf alles ausdehnen, was letztlich nur ihm dient, seiner Macht und seinem nationalistischen Zielen.
Der amerikanische Doppelkontinent wurde als natürlicher Machtbereich der USA betrachtet, seit Präsident James Monroe 1823 erklärt hatte, die ehemaligen europäischen Kolonialmächte hätten in Lateinamerika nichts mehr zu suchen. In dem Südkontinent geschah seit damals nichts ohne das Einverständnis Washingtons. Wenn ein Land nicht (und nicht nur dort) parierte, marschierten regelmäßig die US-Marines ein, setzten ungehorsame Regierungen ab und sorgten für Ordnung im Sinne des großen Nachbarn im Norden. Was in Washington meist sehr ehrlich als «Wahrnehmung amerikanischer Interessen» deklariert wurde. Ronald Reagan etwa, von 1981 bis 1989 Präsident der USA, bezeichnete die Sowjetunion als «Reich des Bösen». Er begann einen verdeckten Krieg gegen Nicaragua, um die Sandinisten-Regierung zu stürzen, in der er ein trojanisches Pferd des Kommunismus in Lateinamerika zu erkennen glaubte. Die Finanzierung einer konterrevolutionären Söldnertruppe – «Contras» genannt – wurde nie vom US-Kongress genehmigt. Der Krieg, den es offiziell nicht gab, wurde geheim im Auftrag des CIA finanziert – durch Drogenhandel und Waffengeschäfte mit dem (Schah-)Iran. (zit.n. globalbridge.ch/ Helmut Scheben)
Die amerikanische Politik ist eine Tragödie, seit die USA in den letzten Jahren des neunzehnten Jahrhunderts eine Politik betreiben, die dieser Bezeichnung würdig ist. Von den Weltkriegen abgesehen, war es eine schier endlose Reihe von Tragödien, vom Wilson’schen Universalismus über den Kalten Krieg und Vietnam bis hin zum Triumphalismus nach dem Kalten Krieg in den 1990er Jahren. Ein Exponent der radikalen Lösungen – gegen Abrüstung, für die wirtschaftliche und militärische Hegemonie der USA, für die Zerstörung Russlands und gegen dessen Zusammenarbeit mit Drittstaaten – war der polnisch-stämmige Berater etlicher US-Präsidenten, Zbigniew Brzeziński, der politisch maßgeblichen Einfluss hatte.
Wurde jemals ein Präsident der USA wegen Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt?
Wurde Präsident Dwight D. Eisenhower vor Gericht gestellt, weil er mit einer CIA-Operation «under cover» 1954 Jacobo Arbenz, den demokratisch gewählten Präsidenten von Guatemala, stürzte und eine Marionette namens Carlos Castillo Armas einsetzte? Wurde dem amerikanischen Volk klargemacht, dass es nicht um Demokratie, sondern um die Interessen des Bananen-Konzerns United Fruit ging?
Wurde John F. Kennedy belangt, weil er einen CIA-geführten Angriff auf Kuba befohlen hatte? Die Invasion in der Schweinebucht scheiterte, die Kubaner nahmen mehr als 1000 Gefangene – und die Kennedy-Regierung ließ verlauten, sie habe mit dem Angriff nichts zu tun gehabt. Oder kamen die Präsidenten Johnson und Nixon vor Gericht wegen der gnadenlosen Bombardierung des Ostens von Laos, die streng geheim gehalten wurde? 150000 Menschen wurden dort in einem Gebiet, das als Free-Fire-Zone erklärt wurde, getötet oder vertrieben. Wurde öffentlich, dass die CIA-Operationen dabei ins Opium-Geschäft verwickelt waren?
Wurde Präsident Johnson zur Verantwortung gezogen für die Lügen, mit denen der Vietnam-Krieg begründet wurde? Wurde er vor Gericht gestellt wegen des Einsatzes von Agent Orange, einem Entlaubungsgift, das zur Folge hatte, dass Hunderttausende vietnamesische Kinder als Krüppel zur Welt kamen? Wurde Ronald Reagan angeklagt wegen Menschenrechtsverletzungen, weil in El Salvador US-Special Forces ein Militärregime unterstützten, das mit Todesschwadronen oppositionelle Priester, Nonnen, Professoren der Universidad Católica und einen Erzbischof am Altar ermorden ließ?
Wurde Bill Clinton von einem Gericht bestraft, weil er 1999 einen NATO-Angriff auf Rest-Jugoslawien anführte, ohne dass ein Uno-Mandat vorlag? Wurde ihm jemals von einem Staatsanwalt vor Gericht vorgelesen, welche Opfer die Bombardierung serbischer Großstädte gefordert hatte? Dass G.W. Bush wegen des Irak-Kriegs von einem internationalen Tribunal (in Kuala Lumpur gemeinsam mit seinen Verbündeten, u.a. Tony Blair) als Kriegsverbrecher verurteilt wurde, hatte keinerlei Auswirkungen auf die internationale Politik. «Krieg wird mit Lügen gemacht», sagte 2016 der CIA-Analyst Ray MacGovern (Quelle: globalbridge.ch). Einen guten Überblick zur geübten Praxis liefert auch das Buch von John Perkins mit dem bezeichnenden Titel „Bekenntnisse eines Economic Hit Man“.
Aktuelle Konflikte
Auch eine genauere Analyse der Vorgeschichte des Ukrainekriegs zeigt, dass die Verantwortung des Westens größer ist, als es (westliche) Medien normalerweise vermitteln.
Die Hauptursache des Ukrainekrieges ist der vom Westen angestrebte NATO-Beitritt der Ukraine. Den „russischen Imperialismus“, von dem in den Medien fast überall die Rede ist, gibt es nicht wirklich. Dieser wurde vielmehr erfunden, um die Schuld bei Russland abladen zu können. Das begründet der bekannte US-Politikwissenschaftler John J. Mearsheimer in einem Artikel. Er entkräftet dabei auch die üblichen Gegenargumente. Die nüchternen Schilderungen von Mearsheimer sind eine Wohltat im Umfeld gefährlicher Kriegstreiberei. (Zit.n. Manova)
Bereits als der amerikanische Präsident Bill Clinton 1996 die NATO-Osterweiterung auf den Weg brachte, führte dies unmittelbar zu kritischen Reaktionen von prominenter Seite. George Kennan, der Vater der Containment-Strategie der USA im Kalten Krieg, nannte Clintons Pläne „vollkommen unnötig“ und „einen fatalen Fehler“, der die Spannungen zwischen Ost und West neu entfachen würde. Egon Bahr, unter Willy Brandt der Architekt der deutschen Ostpolitik, warnte, dass mehr als eine Erweiterungswelle der NATO eine potentielle Konfrontation mit Russland bedeuten würde und nannte eine solche Expansion „einen riesigen Fehler“. Es folgten zwei Wellen der Osterweiterung in 1999 und 2004 und die NATO war nun an Russlands Grenze. Henry Kissinger mahnte wiederholt, dass ein NATO-Beitritt der Ukraine nicht im Sicherheitsinteresse Europas sei. John Mearsheimer, sagte bereits 2015 voraus, dass die Russlandpolitik des Westens in finaler Konsequenz zur Zerstörung der Ukraine führen würde.
„Denn auch wenn Russland die letztendliche Eskalation des Konflikts eingeleitet hat, wurden die Vorrausetzungen durch eine jahrzehntelange, aggressiv anti-russische Politik der USA geschaffen. „Im Frühjahr 2014 griffen die Kiewer Putschisten den Donbass an. Damit begann der Ukraine-Krieg“ (© Arnold Schölzel)
Und im Gegensatz zu Russland dürften bei den Vereinigten Staaten nur wenige Zweifel daran bestehen, dass der Ausbruch von Feindseligkeiten in Europa kein diplomatisches Versagen, sondern ein außenpolitisches Ziel war.“ (Quelle: Nachdenkseiten/ Walther Bücklers). Dass alles auch medial vorbereitet und begleitet wurde, beschreibt Professor Becker (Universität Marburg) im Vorwort zu seinem Buch «Medien im Krieg, Krieg in den Medien»: „ .. diese empirische Arbeit war sehr mühselig, ich weiß aber auch, dass es im März 2023 wenigstens 25 US-amerikanische PR-Agenturen gab, die Verträge mit ukrainischen Regierungsstellen hatten. Warum nimmt niemand die Mühe auf sich, diese 25 oder mehr Verträge systematisch zu analysieren?“
Und dieses Muster zieht sich durch sehr viele US-verursachte Konflikte, die neben den materiellen und menschlichen Folgen der Kriege Flüchtlingsströme bewirk(t)en. So hängen letztere auch mit Migration zusammen, aus dem gescheiterten Afghanistankrieg, aus Kriegen in Syrien, Libanon, Libyen, dem Irak, deren leidvolle Fluchtschicksale mit dem desaströsen Vormachtstreben des US-geführten Westens zusammenhängen. Dabei werden Steuerbillionen verschwendet, die beim Ausbau der Sozialstaaten, dem weltweiten Abbau sozialer Spaltungen und der existenziell notwendigen ökologischen Transformation fehlen. Am schlimmsten aber ist, dass die USA und deren Verbündete, „..wie jede koloniale oder rassistische Macht, die jemals mit bewaffnetem Widerstand konfrontiert war, die einheimischen Völker, die sich wehrten, stets als „Terroristen“, „Wilde“ oder ähnliches bezeichnet hat. (© Craig Murray)
Aussicht in eine düstere Zukunft
«Angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen stehen die Amerikaner vor der existenziellen Wahl zwischen der… Erhaltung.. grundlegender demokratischer Verpflichtungen oder… einer neoliberalen transnationalen Kultur des permanenten Krieges, in der die Aussichten auf einen echten internationalen, universellen und demokratischen Frieden so gut wie zerstört sind. Permanenter Krieg als Standardpolitik zur Gewährleistung der „globalen Ordnung“ durch die amerikanische Staatsmacht stellt keine internationale Politik dar, die in der Lage ist, das demokratische Wohlergehen auf der ganzen Welt zu fördern. Die wirtschaftlich und militärisch erzwungene amerikanische Vorherrschaft zerstört die Möglichkeit einer echten demokratischen internationalen Politik.» (© Peter Dimock zit.n. globalbridge.ch)
So ist das „Wie“ das, worum es zwischen Trump und Harris in allen Fragen geht, die die Beziehungen Amerikas mit der Welt jenseits seiner Küsten betreffen. Das Ziel, die Absicht, steht jedoch heute schon genauso fest und außer Frage wie in der gesamten Nachkriegszeit. Aus diesem Grund versprechen weder Trump noch Harris außenpolitische Erfolge oder einen Richtungswechsel. Bei seinen „außenpolitischen Bemühungen“ bleibt das Scheitern Amerikas einzige Aussicht und die Hoffnung für den Rest der Welt.
Aber die nächste Katastrophe kommt bestimmt, wobei die neueste Masche heutzutage der „humanitäre“ Krieg ist..
Literatur / Nachweise
Karlheinz Deschner: „Der Moloch“, eine kritische Geschichte der USA, Heyne Verlag, 2002
John Perkins: „Bekenntnisse eines Economic Hit Man“, Goldmann-Verlag, München 2007
James Bamford: „NSA – die Anatomie des mächtigsten Geheimdienstes der Welt“, Goldmann-Verlag, München, 2002
Bob Woodward: „Geheimcode Veil – Reagan und die geheimen Kriege der CIA“, Droemersche Verlagsanstalt. München 1987
Günter Neuberger, Michael Opperskalski: „CIA in Mittelamerika“, Lamuv Verlag, Bornheim –Merten, 1883
u.v.a.m.