Thema Umweltverschmutzung:
Problemfall Plastik(sackerl) (30.1.2019)
Immer mehr Länder verbannen den billigen Umweltsünder „Plastiksackerl“ aus ihrem Alltag. Österreich zeigt bis jetzt wenig Initiative.
Die Bemühungen der EU-Kommission, den Verbrauch von dünnen Einweg-Plastiksackerln drastisch zu reduzieren, stoßen in der österreichischen Politik auf breite Zustimmung. Nachdem sich bereits gestern die Miglieder des EU-Ausschusses des Bundesrats weitgehend positiv zum Vorstoß von EU-Umweltkommissar Janez Potocnik geäußert hatten, erntete die Initiative heute auch im EU-Unterausschuss des Nationalrats viel Lob. Ein generelles Plastiksackerlverbot wird von vielen Abgeordneten allerdings abgelehnt, vor allem ÖVP und FPÖ wollen mehr auf Bewusstseinsbildung als auf eine Verbotspolitik setzen. Seitens der FPÖ kritisierte Harald Vilimsky die Prioritätensetzung der EU und des EU-Unterausschusses: Er hält die Bekämpfung der hohen Arbeitslosigkeit in Europa für wesentlicher als das Thema Plastikmüll.
Anlass für die von EU-Umweltkommissar Potocnik vorgeschlagene neue Verpackungsrichtlinie sind die enormen Umweltschäden, die durch weggeworfene Kunststoffverpackungen entstehen. Insbesondere die Meere leiden unter dem Plastikmüll, dort haben sich bereits Unmengen an kaum verrottbarem Abfall angesammelt.
Die vorgeschlagene Richtlinie soll in Hinkunft die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten eröffnen, für dünne Einweg-Plastiksackerl mit einer Wandstärke unter 50 Mikron – das sind 0,05 mm – Handelshemmnisse zu erlassen. Diese Kunststoffsackerl werden seltener wiederverwendet als Kunststofftaschen aus stärkerem Material. Den Mitgliedstaaten wird dabei freigestellt, welche Maßnahmen sie ergreifen. Möglich sind etwa Verbote, Beschränkungen, Abgaben oder spezielle Kennzeichnungen. Die Schritte müssen innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten der Richtlinie gesetzt werden, in zwei Jahren ist darüber zu berichten. Der Umweltkommissar verbindet mit dieser Rechtsgrundlage die Hoffnung, eine Reduktion beim Verbrauch der dünnen Kunststoffsackerl um 80% zu erreichen.
Eine halbe Milliarde Plastiksackerl in Österreich seien dünne Knotenbeutel für Obst, Gemüse und Fleisch, für die in der EU-Richtlinie keine Verpflichtung zur Reduktion vorgesehen seien. Österreich könne sich bei der Umsetzung der EU-Vorgaben jedoch freiwillig auf eine umfassende Reduktion verpflichten. „Wir erwarten uns, dass auch der Handel dazu seinen Beitrag leistet“, so Egit.
Zudem müsse der Umweltminister im Rahmen des Aktionsplans die so genannten ‚abbaubaren‘ Erdöl-Plastiksackerl verbieten, die beim Abbauprozess die Umwelt stark mit Mikroplastik belasten. Das ursprünglich vom EU-Parlament für alle Mitgliedsstaaten geforderte Verbot wurde im Rat von Großbritannien verhindert.
Weil die Brüsseler Kommission keine verbindlichen Zielvorgaben wollte, müssen die Staaten die Vorlage einstimmig billigen. Die Abstimmung darüber ist am Freitag geplant. Anschließend geht der Text noch ins Europaparlament, wo er vom Plenum verabschiedet werden muss.
Die Neuregelung betrifft Einwegsackerl, die Konsumenten in vielen Geschäften kostenlose an der Kassa erhalten. Ausgenommen sind dünnwandige Sackerl, in die etwa Frischfleisch, Wurst, Fisch oder auch Obst verpackt werden. Diese Ausnahme wird vor allem damit begründet, dass ein Verbot noch schädlichere Verpackungen wie etwa Schalen aus Schaumstoff fördern könnte.
100 Milliarden Sackerl jährlich in der EU
Nach Angaben des Europaparlaments werden in der EU jährlich rund hundert Milliarden Plastiksackerl verwendet, etwa acht Milliarden davon gelangen durch achtloses Wegwerfen in die Weltmeere, wo sie Tiere töten oder über Fische in die Nahrungsmittelkette gelangen können. Im Jahr 2010 verbrauchte dem Parlament zufolge jeder EU-Bürger im Durchschnitt 200 der umweltschädlichen Plastiksackerl.
Die Regierung Bangladeschs hat bereits vor zehn Jahren verwirklicht, was inzwischen immer mehr Länder der Welt tun: Sie hat das Plastiksackerl gesetzlich verboten und damit aus dem öffentlichen Leben verbannt. Seit Jahresbeginn sind die Kunststofftaschen auch aus italienischen Supermärkten verbannt. Nun endlich greift die Debatte zum Plastiksackerl-Verbot auch auf Österreich über.
Bis zu einer Billiarde Plastiksackerl werden jährlich hergestellt, das sind über eine Million pro Minute. Jedes davon wird nur durchschnittlich 12 Minuten benutzt, bevor es auf der Mülldeponie oder in der Umwelt landet, wo es 100 bis 400 Jahre braucht um in sandkorngroße Teile zu zerfallen. Gänzlich auflösen kann sich das Plastik nicht. Allein in Österreich werden jährlich etwa 350 Millionen Plastikbeutel verbraucht.
Entsorgung problematisch
Die Herstellung des Kunststoffsackerls benötigt Erdöl, Energie und Wasser und belastet die Umwelt. Die Entsorgung der Sackerl ist problematisch. Verbrennen lässt sich das Material nicht gefahrlos. Dabei können je nach Zusatzstoffen klimaschädliche und giftige Substanzen wie Formaldehyd und Phenole freigesetzt werden. Was fast keiner weiß: entsorgt wird der Kunststoff vor allem in den Ozeanen. Es wird kaum darüber gesprochen, dass sich in den Weltmeeren riesige Plastikinseln und Müllstrudel befinden! Mehr als sechs Millionen Tonnen Plastik bilden im Meer schwimmende Müllhalden, setzen sich auf den Meeresböden ab oder verschmutzen die Küsten. „Es gibt keine Rechtfertigung mehr, Einwegsackerln irgendwo zu produzieren“, sagt Achim Steiner, Direktor des UN-Umweltprogramms UNEP.
Kampf den Plastiksackerln
Einige Länder haben die Dringlichkeit des Problems erkannt und erste Lösungsstrategien zur Einschränkung des Plastikwahns entwickelt. In San Francisco beispielswiese dürfen seit März 2007 in großen Supermärkten nur noch Stoff- oder Papiertaschen ausgegeben werden. Verstöße werden mit Geldstrafen geahndet. Seitdem spart die Stadt rund fünf Millionen Plastiksackerl pro Monat ein. Viele US-Städte – darunter Los Angeles, Boston, Portland, Seattle und Phoenix – wollen diesem Beispiel folgen. Auch in Australien, China, Eritrea, Tansania, Wales und Spanien gibt es Verbote oder Steuern auf Plastiktüten. Des Weiteren wurden in Rwanda, Taiwan, Singapur, Israel, West-Indien, Botswana, Kenia, Tanzania und Süd-Afrika Kampagnen gestartet, um Plastiksackerl zu verbieten.
Irland spart schon
Seit März 2002 gibt es in Irland eine Steuer von 15 Cent pro Einmal-Plastiksackerl. In den ersten fünf Monaten der Steuer hat die Regierung laut BBC 3,5 Millionen Euro eingebracht. Die Einnahmen sollen Umweltprojekten zu Gute kommen. Der Verbrauch wurde um 90 Prozent gesenkt, im ersten Viertel des Jahres nach der Einführung wurden nur 23 Millionen Sackerl ausgegeben. Das sind 277 Millionen weniger als zuvor.
Sammelbehälter
In New York will der Stadtrat die Geschäfte verpflichten, spezielle Sammelbehälter aufzustellen, um die Plastiksäcke sammeln und besser recyceln zu können. Auch europäische Großstädte, wie London und Paris, ziehen inzwischen in Erwägung, den Verbrauch von Plastikbeuteln einzudämmen.
Österreich
In Österreich sind bisher keine derartigen Aktionen geplant, obwohl laut Umweltministerium jährlich 7000 Tonnen Plastiksäcke in den Umlauf gebracht werden. Davon werden jährlich sogar rund 700 Millionen importiert. Die Säcke legen im Durchschnitt 30.000 Kilometer zurück, um nach kurzer Verwendung gleich wieder weggeworfen zu werden.
Aufklärung wichtig
Ein Verbot von Plastiksackerln hat sich auf EU-Ebene noch nicht durchgesetzt und ist somit weder in Italien noch Frankreich gesetzeskonform. Supermarktketten lenken erste Maßnahmen zur Reduktion der leichten, billigen Umweltgefahr ein. Doch es ist unbedingt notwendig, in viel größerem Maße auf das Problem aufmerksam zu machen. Der Film „Plastic Planet“ ist ein Anfang, um die Menschen schonungslos mit der Realität vertraut zu machen. Wenn wir wirklich etwas gegen die alltägliche Plastikflut unternehmen wollen, ist ein radikales Umdenken gefordert. Und zwar von allen. Politik und Industrie müssen dringend Zeichen setzen, aber auch jeder Einzelne sollte seinen Plastikkonsum reduzieren.