Was ist Bildung?
Die institutionalisierte Gewöhnung, die Erziehung zur Anpassung oder das Erlernen der Fähigkeit, sich denkend zu behaupten, Widerstand gegen Modeerscheinungen zu lehren, sich den Einflüssen einer Meinungsdiktatur entziehen zu können? In der weitverbreiteten Praxis ist das System eines der Entwertung des Menschlichen, der sozialen Verkrüppelung, des Flügelstutzens bis zum Niveau der Gleichheit gesellschaftlicher Anpassung. Dies alles im Geiste einer diffusen Autorität, die die Homogenität der Gesellschaft verlangt und notfalls gesetzlich durchsetzt, und die auch bespitzelt und der im Sinne der Selbsterhaltung nahezu alle Mittel recht sind. Zweifler, also Kommunisten, Intellektuelle oder auch Ökologen, Atheisten sowieso, sind höchst verdächtig und vertrauensunwürdig, weil sie als Bedrohung für Technik, Fortschritt und wirtschaftliches Wohlergehen dargestellt und vom gesellschaftlichen System empfunden werden.
Persönlichkeit ist in diesem System überflüssig und unerwünscht, wird lediglich innerhalb an ihrer Nützlichkeit für das System bewertet. Wer „nein“ sagt, wird schnell des Verrats bezichtigt, Phantasie macht verdächtig. So ist auch die Bildungsfeindlichkeit ein Bestandteil der Religionen, die Menschen negativ beschreibt, die vom so oft zitierten „Baum der Erkenntnis“ kosten. Blinder Gehorsam ist wichtiger als Erkenntnis, das Experiment und das Forschen wird als Feind der vorgegebenen Ordnung denunziert. Also hasst der Monotheismus die Vernunft und die Intelligenz, die Freiheit auch alles zu lesen bis auf das eine, die „heilige Schrift“. Statt das Leben zu genießen, ebenso die Sexualität, seine Lust und alles Körperliche, verteidigen die Religionen den Glauben, den Gehorsam und die Demut und damit das Jenseits und ein tristes Dasein. Das Wesen des Menschen und der Bildung liegt jedoch im neugierigen Sammeln von Erfahrung und nicht in der Unterwerfung. Leider aber wurde und wird die Wissenschaft religiös instrumentalisiert und die Vernunft soll so einem theokratischen Zweck dienen. Die Theologie hat deshalb in allen religiös geprägten Gesellschaften einen hohen Stellenwert, der zwar durch nichts zu begründen ist, aber als jenseits jeden Zweifels stehend akzeptiert wird. Und wie schon vor Jahrhunderten durch Galilei belegt, ist die Ablehnung wissenschaftlicher Aufklärung ein wesentliches Merkmal monotheistischer Religionen.
Der Staat gibt zwar vor, im Rahmen des jeweiligen Bildungssystems mehr oder weniger, alle anerkannte Weisheiten – also Erkenntnis-basiertes Wissen – zu vermitteln, was jedoch bezüglich der Religion(en) nicht funktioniert, weil in Religionsfragen nie völlige Gewissheit herrschen kann. Nicht-konfessionelle Schulen sollen Orte des Dialogs zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen sein, in kirchlichen Schulen dagegen ist kein Platz für solche Debatten. Christliche Lehrer (oder in anderen Religionsgebieten eben entsprechende Vertreter) dürfen sehr wohl an kommunalen oder staatlichen Schulen lehren, umgekehrt unterrichten jedoch nie Atheisten. Was wohl Teil des Systems zu sein scheint, Bildung nur in eine bestimmt Richtung zuzulassen.
Ethik? Was bedeutet Ethik für das Individuum?
Diesem Absatz ist ein Statement von Albert Camus voranzustellen, weil es den Charakter des Begriffs punktgenau trifft: „Ich kenne nur eine einzige Pflicht, das ist die Pflicht zu lieben – und zu leben!“ Onfray schrieb unter Berufung auf Camus, dass Politik ohne Ethik entweder ein theologisches Spiel oder zynischer Machiavellismus wäre.
Wenn „Ehrgefühl“ nur durch die Anwesenheit von gewissen Personen verletzt werden kann, dann wird nicht nur mit zweierlei Maß gemessen, auch blinde Selbstgerechtigkeit wird praktiziert, die menschliche Untauglichkeit verbirgt. Ohne Ehre ist leicht auszukommen, ohne Menschenwürde weniger leicht, jedenfalls dann, wenn auch nur ein Schuss zivilisatorischen Anspruchs erhoben wird. Würde ist (auch) das Verweigern einer uns zugedachten oder vorgedachten Rolle.
In der Konflikttheorie, die letztlich auf psychologischen Erklärungen beruht, entsteht kein Konflikt, also auch Terror als Extrem, nicht aus sich selbst, sondern hat Ursachen. Die gewalttätige Ausformung ist zu einem guten Teil die Reaktion auf sozial-psychologische und damit der Gewalt nahestehende Phänomene der jeweiligen Gegenseite, die bekämpft wird. So absurd es klingen mag, aber die Gewalt äußert sich insbesondere dann, wenn die Hilflosigkeit groß ist und die Umwelt sich in ihrer Ignoranz keiner Schuld bewusst ist. Faktum bleibt jedenfalls auch, dass einseitig indoktrinierende Ideologien – also sowohl Politik als auch Religionen – einen maßgeblichen Einfluss auf die Polarisierung mancher Gruppen haben. Und unreflektierte Schuldzuweisungen führen ebenso zu Abwehrreaktionen, die sich gewaltsam äußern können. Terror ist immer das Resultat der Missachtung und mangelnder Bildung in Verbindung mit ideologischer Beeinflussung.