Komfortabel, feine Ausstattung, Autobahn-affin, schwer, verspielt und kleine Schwächen. Zeitgeist eben
Das Datenblatt des getesteten BYD Sealion 7 ist beeindruckend: Die Testversion hat selbstverständlich Allradantrieb, wie es sich bei einem Auto dieser Größe gehört, die Leistung liegt bei stolzen 390 kW (530 PS) und einem Gesamtdrehmoment von 690 Nm, die den Seelöwen in 4,5 Sekunden auf 100 km/h zu beschleunigen imstande ist. Die theoretische Höchstgeschwindigkeit liegt auf dem Papier bei 215 km/h! Die beiden E-Motoren sind eine chinesische Eigenentwicklung, die auf Lithium-Eisenphosphat setzt und die nicht brennen können. Zudem sind sie langlebig, Temperaturschwankungen setzen ihnen kaum zu und sie sind kompakt. Ein deutlicher Vorteil gegenüber direkten Konkurrenten, was aber nichts daran ändert, dass das (Leer-)Gewicht von 2435 kg physikalische Gesetze setzt. Bei entsprechend potenten Ladestationen sind die Batterien in kurzen 18 Minuten von 30 auf 80 Prozent geladen. Respekt!
Die Reichweite von 502 km ist allerdings, wie bei allen Elektroautos, relativ. Soweit die kurzgefasste Technik, die es im praktischen Verkehr zu erproben galt.
Erster optischer Eindruck: Fein, zeitgeistige SUV-Interpretation, perfekte Innenraumgestaltung, Riesendisplay, viel Platz!
Das nicht gerade kleine elektrische SUV-Coupé steht auf einer Länge von 4,83 m formal sportlich und unaufgeregt da, nähert sich der europäischen Konkurrenz auf gleichwertigem Niveau, übertrifft es beim Interieur sogar absolut, wenn man den Preis berücksichtigt. Das Platzangebot ist familienfreundlich für 4 Personen, dabei in der getesteten Version mit haptisch besten Materialien, die zu den vielen Luxus-Features gehören – vom Glaspanoramadach über Leder bis hin zur Sitzklimatisierung, eben eine „Excellence“-Ausstattung. Der Kofferraum fasst 520 bis 1789 l bei umgelegter Rückbank. Zum Verstauen des Ladekabels und noch mehr gibt es vorne auch einen ordentlichen, weil 58-Liter großen Frunk, von dem etliche Konkurrenten nur träumen können. Und die Kopf- und Beinfreiheit reicht auch auf der Rückbank für Großgewachsene.
Typisch für BYD-Fahrzeuge wird die Armaturenlandschaft von einem horizontal und vertikal schwenkbaren 15,6-Zoll-Infotainmentdisplay dominiert, das wirklich in all seinen Funktionen kennenzulernen den kindlichen Spieltrieb herausfordert. Da hat der Zeitgeist, subjektiv betrachtet, voll zugeschlagen! Was die praktische Nutzung dann auch bestätigt, nämlich insofern, als dass das ganze Auto auf verschiedenste Situationen akustisch reagiert, piepst, klingelt etc. und vom eigentlichen Zweck des Autos, dem Fahren, ablenkt. Was wohl auch den unsinnigen Vorschriften der EU-Gesetzgeber geschuldet ist! Wie oder ob sich eine chinesische Version von der hier zugelassenen unterscheidet, wäre interessant zu wissen.
Fahrgefühl? Unspektakulär, verspielt, weich!
Die Testfahrt beginnt mit einem Tastendruck auf der Mittelkonsole, das Lenkrad-Display leuchtet auf und zeigt, je nach Wahl im Bordcomputer, die relevanten Daten, ebenso die Head-Up Anzeige, während das zentrale Display ob seiner vielen Einzelfunktionen die Beifahrerin dazu verleitet, mühsam herausfinden zu wollen, wie man einen bestimmten Radiosender einstellt – was aber nur eine von sehr vielen Suchoptionen abbildet. Bei der Beschleunigung beweist der Sealion, dass genügend Leistung in ihm steckt, die sich aber weniger spektakulär gebärdet als die Nenndaten. Zur Kontrolle der eigenen Fahrkünste und der Sicherheit stehen eine Vielzahl an Assistenzsystemen zur Verfügung, von zahlreichen Kameras bis zu Radar- und Ultraschallsensoren. Das geht so weit, dass man meinen könnte, das Auto kontrolliere den Fahrer, nicht umgekehrt! Aber man gewöhnt sich dran!
Das Fahrwerk ist derart komfortabel abgestimmt, dass sich die Unterschiede per Fahrmodus-Knopfdruck (ECO, Normal, Sport, „Schnee“ gab´s nicht zu probieren) nicht wirklich bemerkbar machen und eine deutlich höhere als die in Österreich erlaubte Geschwindigkeit eher Zurückhaltung provoziert. Auch kurvige Strecken sind nicht wirklich das Revier des gewichtigen chinesischen SUV-Coupés, das eindeutig sportlicher aussieht als es sich letztendlich fahren lässt. Auch die Lenkung ist entsprechend ausgelegt, die eher weich und keinesfalls direkt eher zum Gleiten als zum Sport animiert, auch im „Sport“-Modus, der nur bescheidenen Bodenkontakt vermittelt.
Als Fazit der Ausfahrt mit dem strombetriebenen Chinesen bleibt der Eindruck, dass er auf US-amerikanische Bequemlichkeit mehr Wert legt als auf europäische Sportlichkeit, dass die jüngeren Generationen sich offensichtlich lieber mit (eher unnötigen) Spielereien abgeben als mit der fahrtechnischen Potenz eines Autos, wie sie etwa auf österreichischen Passstraßen gefragt ist. Und letztlich sei festgehalten, dass (noch) nicht alle Ladestationen auch alle Autos akzeptieren und deren Preise sehr stark differieren. Für den urbanen Raum ist der Sealion schon ein bisserl zu groß, aber auf der geschwindigkeitsbegrenzten Autobahn ist er Weltklasse, vor allem im Vergleich mit deutlich teureren Konkurrenzprodukten. Was den Schluss zulässt, dass das große China hinsichtlich Mobilität ebenfalls eine andere Mentalität auf die Straße gebracht hat: Gelassenheit mit Komfort und einem hohen Qualitätsanspruch! Und das Preis-Leistungsverhältnis ist schlicht sensationell
Die wichtigsten Daten des BYD Sealion 7
Crossover SUV-Coupé, Allradantrieb, 2 Elektromotoren v/h, Systemleistung 530 PS (390 kW), max. Drehmoment 690 Nm, Beschleunigung 0-100 km/h 4,5 Sek, Höchstgeschwindigkeit 215 km/h , Leergewicht 2435 kg, Preis incl. Österreich-Paket: € 54480,–