„Geplante Obsoleszenz“  – Konsumturbo, Ressoucenverschwendung oder Marketinginstrument ?

Gesetzliche Gewährleistungsfristen als Gegenmaßnahme?  (erstmals veröffentlicht 3/19)

Ein häufig zitierter Fall geplanter Obsoleszenz ist der des 1924 gegründeten Phoebuskartells, in dem die nominale Brenndauer von Glühlampen international auf 1000 Stunden begrenzt wurde. Als Erfinder der „geplanten Obsoleszenz“ gilt aber Alfred P. Sloan, der in den 1920er Jahren in seiner Funktion als GM-Präsident jährliche Veränderungen an Automobilen einführte. Mit dieser Konsumismus-Strategie wollte er die Verbraucher dazu bringen, alle drei Jahre ein neues Auto zu kaufen. Im engeren Sinne hat er dadurch die Wegwerfgesellschaft erfunden.

Dass die Lebenszeit von Produkten vorsätzlich verkürzt wird, ist nichts Neues: Die Idee ist mit der Konsumgüter-Industrie geboren worden – Gegenstände mit kurzer Haltbarkeit zu produzieren ist eine Garantie dafür, dass die Konsumenten nicht aufhören zu kaufen. Wegwerfen ist somit ein wichtiger Motor unserer Konsumgesellschaft.

Strategie und Konsum

Mit geplanter oder vorzeitiger Obsoleszenz wird eine konzeptionelle Strategie bezeichnet, bei der Produkte vom Hersteller mit einer (im Gegensatz zu sicherheitsrelevanten Sollbruchstellen) gezielt kürzeren Haltbarkeit auf den Markt gebracht werden. Ersatzteile werden in solchen Fällen nicht oder nur überteuert angeboten,  bei Software werden keine Updates angeboten. Das Ziel ist, dass das Produkt schneller fehlerhaft wird und nur noch eingeschränkt oder gar nicht genutzt werden kann, um so einen Neukauf zu veranlassen. Das Ende der Lebensdauer eines Produkts oder Produktteiles richtet sich nicht nach tatsächlicher Nutzung, sondern nach vom Hersteller (geheim) festgelegten Zeiträumen.

„Natürliche“ Obsoleszenz kann rein technischer Natur sein (Verschleiß), aber auch funktional durch technischen Fortschritt oder rein psychologischer Art (Mode und marketingbedingte Scheinbedürfnisse), eine geplante Obsoleszenz dagegen ist die bewusste Verkürzung der Lebensdauer eines Produkts, sei es durch erhöhten Verschleiß, oder die Anwendung nicht geeigneter Materialien oder möglichst guter technischer Lösungen.

Global 2000 etwa definiert die geplante Obsoleszenz als eine bewusste Strategie von Herstellerfirmen: Sie bauen in ihre Produkte Schwachstellen ein, damit diese nach einer bestimmten Funktionszeit automatisch ihren Geist aufgeben und durch neue Produkte ersetzt werden müssen – ein „eingebautes Ablaufdatum“ sozusagen. Eine subtilere Form ist es, wenn Firmen ihre Produkte so entwerfen, dass sie bald wieder aus der Mode kommen und dann aus diesem Grund entsorgt werden. Für Unternehmen ist die absichtliche Kurzlebigkeit von Produkten ein „vermeintlicher“ Segen, für  Konsumenten ein Fluch!

Definitionen und Tricks

Das Deutsche Umweltbundesamt (UBA) hält eine noch subtilere Definition bereit: Eine gezielt kurze Produktlebensdauer, die die Hersteller mittels eingebauter Mängel erzeugen – also die sogenannte geplante Obsoleszenz – kann in Studien nicht nachgewiesen werden. Vielmehr kalkulieren Hersteller mit „einer bestimmten Produktlebensdauer, die sich auch nach Zielgruppen, Einsatzbereichen und Produktzyklen richtet.“ Und wer bestimmt diese?

So gehen (zit. Die Presse) Haushaltsgeräte laut den Konsumentenschützern zwar immer wieder frühzeitig kaputt. Zu den Tricks, mit denen die Hersteller ihren Umsatz ankurbeln, gehören hohe Reparaturkosten, fest eingebaute Akkus, fehlende Ersatzteile, Drucker, die fälschlich leere Patronen anzeigen oder Produkte, die sich gar nicht reparieren lassen. Wenig überraschend ist das Ergebnis, „..dass billige Geräte oft schneller Schrott sind als teure.“

Für und Wider

Verschleiß oder Alterung ist vielen Bauteilen immanent, so zum Beispiel bei mechanischen Bauteilen, elektronischen Bauteilen wie Elektrolytkondensatoren, bei Akkus etc.. Durch Wahl problematischer Werkstoffe sowie komplexer Herstellungstechnik und deren schlechte Beherrschung können bei Bauteilen gleicher Art gravierende Qualitätsunterschiede auftreten, die sich oft, jedoch nicht immer, im Preis niederschlagen. Weiterhin gibt es Bauteilparameter wie Spannungs- und Temperaturbelastung, die Einfluss auf die Lebensdauer haben können und bei der Dimensionierung durch den Entwickler mehr oder weniger ausgeschöpft werden können.

Das Kernprinzip aber scheint zu lauten, Produkte so zu gestalten, dass sie so lange wie nötig und nicht so lange wie möglich halten.“ – wie auch eine im deutschen Spiegel veröffentliche Studie besagt:  Forscher bestätigen öffentlich, dass Konzerne demnach tatsächlich die Lebensdauer ihrer Waren planen. Zwar gibt es keine Hinweise, dass sie absichtlich Schwachstellen in Geräte einbauen, sehr wohl aber analysieren Unternehmen die sich wandelnden Vorlieben von Verbrauchern und den technologischen Fortschritt. Auf der Basis solcher Daten kalkulieren sie, wie lange ein Gerät voraussichtlich in Gebrauch sein wird. Die Autoren der Studie kritisierten die mangelnde Transparenz für die Verbraucher, hoben aber auch die Verantwortung der Käufer hervor, die Konsumgüter so lange wie möglich zu nutzen und dazu Geräte auszuwählen, die unabhängig von Herstellerwerkstätten langfristig repariert werden könnten

So hat der immer schnellere Austausch von Elektrogeräten verheerende Folgen für die Umwelt. Nach Angaben des Ökoinstituts wurden 2014 allein in Deutschland mehr als 24 Millionen Smartphones, sieben Millionen Tablets und acht Millionen Fernseher verkauft. Für Herstellung, Vertrieb, Gebrauch und Entsorgung solcher Geräte wird viel Energie benötigt, entsprechend hoch sind die CO2-Emissionen.

Konsequenzen? Gewährleistungsfristen, Ökodesign-Richtlinie….

Seit 2015 ist in Frankreich das absichtliche Verkürzen der Lebensdauer von Produkten eine Straftat, die mit bis zu zwei Jahren Gefängnis und 300.000 Euro Geldstrafe geahndet werden kann. Die Geldstrafe kann auch noch höher ausfallen, und zwar bis zu 5 Prozent des Jahresumsatzes des Unternehmens. Jedoch ist die Beweisführung sehr schwierig.  Kläger müssen  beweisen, dass die Lebensdauer eines Produktes bewusst verkürzt wurde. So muss etwa die Frage beantwortet werden, wie lange ein Gerät überhaupt funktionieren muss. Dementsprechend untauglich ist diese Konsequenz.

Konsumentenfreundliche Lösungen wären etwa entsprechende Bauvorschriften (z.B. Austauschbarkeit von Akkus), die gesetzliche Pflicht, Ersatzteile eine gewisse Zeit lang bereitzuhalten (so wie in der Autoindustrie sogar 25 Jahre) oder aber drastisch verlängerte Gewährleistungsfristen, die eine frühzeitige Obsoleszenz zum ökonomischen Bumerang für den Hersteller machen. Die EU hat (unabhängig von den Fragen zu den Kaufmotiven der Konsumenten) mit der  Ökodesign-Richtlinie (RL 2009/125/EG) und dem Kreislaufwirtschaftspaket bereits passende rechtliche (jedoch ziemlich abstrakte) Rahmen geschaffen, um produktspezifische Anforderungen an die Lebensdauer von energieverbrauchsrelevanten Produkten zu stellen. (http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-19-1596_en.htm). Auch das deutsche BundesUmweltAmt sieht diese Richtlinie als „ersten Schritt“ zur „Festlegung von Produktstandards zur Min­destlebensdauer,   ggf. zu­nächst für Produktkomponenten“ und fordert darüber hinaus eine „Stärkung eines nachhaltigen Konsums im Be­reich Produktnutzung durch Anpassungen im Zi­vil- und öffentlichen Recht“. 

Obsoleszenz betrifft direkt und indirekt sehr viele Industriezweige und wird damit zur ökonomischen Problematik wie auch zum Politikum, aber auch zum Wechselspiel zwischen Industrie und Verbrauchern. Dass die Politik nicht immer sehr Konsumenten-freundlich und eher an Wachstumsideologien interessiert ist, wird durch sehr allgemein gehaltene Antworten deutlich, die auf Anfragen beim zuständigen Ministerium, beim Verein für Konsumenten-Information und bei der Arbeiterkammer in der Redaktion einlangten. 

Fakten – Check (Auszug):

Gewährleistung:

Die Gewährleistung ist die verschuldensunabhängige Haftung des Verkäufers für Mängel, die seine Leistung bei der Erbringung aufweist. Die Voraussetzung für die Geltendmachung der Gewährleistung ist das Vorliegen eines Mangels. …Es besteht jedoch keine Haftung für Mängel, die erst später eingetreten sind. Die Gewährleistungsfrist für Mängel beginnt mit Übergabe der Ware zu laufen.

Frist gem § 933 Abs 1 ABGB:

Grundsätzlich beträgt die Gewährleistungsfrist bei beweglichen Gütern 2 Jahre (bei unbeweglichen Gütern 3 Jahre), die vertraglich im Verbrauchergeschäft (gem. § 9 KSchG) nicht ausgeschlossen werden darf.

Nach §924 Allgemein Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) trägt in den ersten 6 Monaten ab Kauf der Unternehmer die Beweislast, dass ein auftretender Mangel bei Übergabe nicht vorhanden war, das heißt, dass er den schlüssigen Beweis antreten muss, dass der Konsument den Mangel verursacht hat. In den darauffolgenden 1,5 Jahren dreht sich die Beweislast um und der Konsument müsste dem Unternehmer beweisen, dass der Mangel zumindest ansatzweise bei Übergabe vorhanden war. …

Die Klage muss innerhalb der Gewährleistungsfrist bei Gericht eingebracht werden, sonst ist das Recht erloschen – auch wenn fristgerecht beim Händler reklamiert wurde!

Rechtsfolgen:

Laut § 932 ABGB (Allgemein bürgerliches Gesetzbuch) haben Konsumenten folgende Gewährleistungsrechte:

1) Der Übernehmer (Kunde) kann wegen eines Mangels die Verbesserung, den Austausch der Sache, eine angemessene Minderung des Entgelts (Preisminderung) oder die Aufhebung des Vertrags (Wandlung) fordern.

(2) Zunächst kann der Übernehmer nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen, es sei denn, dass die Verbesserung oder der Austausch unmöglich ist oder für den Übergeber (Händler), verglichen mit der anderen Abhilfe, mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre. ….

(3) Die Verbesserung oder der Austausch ist in angemessener Frist und mit möglichst geringen Unannehmlichkeiten für den Übernehmer zu bewirken, ….

(4) Sind sowohl die Verbesserung als auch der Austausch unmöglich oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden, so hat der Übernehmer das Recht auf Preisminderung oder, sofern es sich nicht um einen geringfügigen Mangel handelt, das Recht auf Wandlung…..

Garantie:

Sofern eine Garantie vereinbart wurde ist dies eine freiwillige, vertragliche Zusage für Mängel einzustehen. Die Ansprüche richten sich immer an denjenigen, der die Garantie gewährt. (Quelle: Arbeiterkammer)

Die RL Verbrauchsgüterkauf- und Garantien 1999 /44/EU sieht Mindestfristen bzw. Mindestregelungen iZm der Mangelhaftigkeit von Produkten vor. Die Mitgliedstaaten können für Verbraucher günstigere Regelungen vorsehen.  Die Mindestfrist beträgt 2 Jahre ab Lieferung der Ware. Der Mangel muss bereits bei Übergabe vorhanden, wenn auch nicht erkennbar sein.

Österreich ist über diese Mindestfrist nicht hinausgegangen. Die 2-Jahres-Frist gilt auch bei versteckten Mängeln. Mangelnde Haltbarkeit kann (?) einen Mangel darstellen.

Andere Mitgliedstaaten sehen längere Gewährleistungsfristen vor oder berücksichtigen versteckte Mängel. …

Aktuell wurde die Richtlinie über bestimmte Aspekte des Warenhandels beschlossen. Diese regelt das Gewährleistungsrecht für Waren neu und soll die geltende RL 1999/44/EU aufheben.

Die Veröffentlichung im Amtsblatt wird in Kürze erfolgen. Die Umsetzungsfrist beträgt 2 Jahre.

Die RL räumt den Mitgliedstaaten daher auch künftig bei der Gewährleistungsfrist einen breiten Gestaltungsspielraum ein. Dies sowohl für klassische Produkte, aber auch für smart goods.

(Quelle:BM für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Sektion Konsumentenpolitik)

https://www.beuc.eu/press-media/news-events/new-ecodesign-measures-make-repair-easier-and-products-safer